Grauzonen - Rechte jugendliche Lebenswelten

Glossar zu Musiker*innen

 

Bierpatrioten

Die Berliner Oi-Band Bierpatrioten wurde 1992 gegründet und im Jahr 2000 zunächst aufgelöst. Die Band verstand sich stets als unpolitisch, war aber vor allem in ihren Anfangsjahren an das Rechtsrock-Milieu angebunden. Ihre Veröffentlichungen »Titten raus« (Single/MCD, 1993) und »Randale, Pogo, Alkohol« (LP/CD, 1994) erschienen auf dem deutschen Label DIM-Records. Auftritte und Produktionen der Band wurden zu dieser Zeit von der extremen Rechten mehrheitlich positiv aufgenommen. Als sich DIM-Records ab 1994 zum eindeutigen Rechtsrock-Label entwickelte, verließ die Band aufgrund politischer Differenzen das Label. Die Distanzierungen von »Braunen« und von Politik allgemein korrespondieren in Liedtexten der Bierpatrioten mit dem Bekenntnis zum Patriotismus: »Hör mir zu, ich steh auch zu meinem Land. Doch ich hebe dafür nicht meine rechte Hand. Vaterlandsliebe kann uns keiner verbieten, auch nicht ihr mit euren Intrigen! Wir sind keine Braunen, wir sind keine Roten, wir sind wir, die Bierpatrioten!« (»Bierpatrioten«, 1994). Die Band benennt in Liedtexten Linke als »Zecken«, vertritt ultrasexistische und homosexuellenfeindliche Positionen sowie Gewaltfantasien gegen Hippies und Intellektuelle.

Seit dem Jahr 2010 treten die Bierpatrioten wieder in neuer Besetzung auf. Sie nehmen keinen Abstand zu den aufgeführten Texten und führen diese weiterhin bei Auftritten in ihrem Programm. Dennoch wurden sie beispielsweise für einen Auftritt auf dem Punk & Disorderly-Festival in Berlin 2015 engagiert.

 

Gumbles

Die Schweriner Oi!-Band Gumbles wurde 2000 gegründet und bezieht sich mit ihrem Namen auf die Figur Barney Gumble aus der Fernsehserie »Die Simpsons«, die vor allem für ­ihren Alkoholismus bekannt ist. Sich selbst sieht die Band als unpolitisch, auch etwaige Bekenntnisse gegen Rassismus wie »die Farbe deiner Haut ist scheißegal« (»Barney Army«, 2005) werden ausdrücklich nicht als politisch verstanden. Gleichzeitig betreibt die Band eine Gleichsetzung von rechts und links und trägt so zu einer Kultur der Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen bei (»Faschisten«, 2003). In ihren Texten besingt die Band vor allem einen als »Way of Life« der Skinheadszene dargestellten Lebensstil, der im Wesentlichen aus Saufen und vermeintlichem Außenseitertum besteht. Sie zeichnen das Bild einer ausdrücklich männlichen und heterosexuellen Lebenswelt, in der sexuelle Potenz (»Punx«, 2002) und exzessiver Alkoholkonsum zu den zentralen Tugenden gehören. Immer wieder auch versucht die Band sich und ihre Fans als missverstanden und zu Unrecht verfolgt darzustellen (»Ein Lied für euch«, 2003), eine Erzählung, die in hohem Maße an rechte Diskurse um »Political Correctness« und vermeintliche Diskussionsverbote anknüpft, auch wenn die Band selbst dieses Thema nicht explizit aufgreift. Trotz allem finden die Gumbles Anklang bis weit hinein in sich als antifaschistisch verstehende Kreise und standen bei Festivals auch schon neben explizit linken Bands auf dem Programm. Mit »St. Pauli Skinheads« (2006) hat die Band auch einen expliziten Fußballsong veröffentlicht und erfreut sich nicht zuletzt deswegen auch in Teilen des als links geltenden Anhangs des Hamburger Vereins großer Beliebtheit. (Tölva)

 

Die Bandbreite

Das Duisburger Rapduo Die Bandbreite ist seit 1999 aktiv und besteht aus Marcel »Wojna« Wojnarowicz und Torben »DJ Torben« Eckhoff. Die Band vertritt in ihren Songs häufig verschwörungsideologische Standpunkte, etwa wenn sie die Mondlandung als Fake darstellen (»Demokratie«, 2006), in Rückgriff auf den antisemitischen Autoren Wolfgang Eggert behaupten, die USA hätten die Immunschwächekrankheit AIDS künstlich erschaffen und bewusst in die Welt gesetzt (»Aids«, 2012), oder die These vertreten, die Anschläge vom 11. September 2001 seien von den USA selbst verübt worden (»Selbst gemacht«, 2007). Sie legt in ihrem Texten auch eine Frauenfeindlichkeit an den Tag, die bis hin zu Vergewaltigungsfantasien reicht (»Eingelocht«, 2006). Mit ihrem plumpen Antiamerikanismus und ihrem Verschwörungswahn stößt Die Bandbreite in der extremen Rechten – von sogenannten »Reichsbürgern« bis hin zu Neonazis – auf offene Ohren. So wird ihr Song »Was ist los diesem Land?« (2010) regelmäßig auf Kundgebungen der NPD gespielt. Die Art und Weise, wie die Band alles Schlechte dieser Welt »denen da oben« oder gleich dunklen Mächten in die Schuhe schiebt, ist in hohem Maße anschlussfähig für antisemitische Vorstellungen über eine jüdische Weltverschwörung. Die Bandbreite benennt sich selbst als politisch links und wendet sich in Liedern und Aussagen gegen Neonazis (»Kein Sex mit Nazis«, 2008). Diese Selbstverortung bewirkt, dass viele Zuhörer*innen die kruden, im Kern rechten Thesen der Band nicht dementsprechend einzuordnen wissen. (Tölva)

 

Bushido

Bushido ist der Künstlername des Berliner Rappers Anis Mohamed Youssef Ferchichi, dem 2003 mit seinem Album »Vom Bordstein zur Skyline« der Durchbruch in den Mainstream gelang. In seinen Songs inszeniert Bushido sich bevorzugt als harter Typ von der Straße mit kriminellem Background. Er zelebriert und inszeniert dabei eine hegemoniale Männlichkeit, die sich in erster Linie durch ­Gewaltbereitschaft (z. B. »Stress ohne Grund«, 2013) und sexuelle Potenz ausdrückt. Gerade bei letzterem Ausdruck überschreitet er in unschöner Regelmäßigkeit die Grenze hin zu offener Verachtung für Frauen und zu Vergewaltigungsfantasien (z. B. »Nutte Bounce«, 2001). Auch durch Homophobie und Schwulenfeindlichkeit fiel Bushido bereits mehrfach auf (z. B. »Berlin«, 2006). So war er 2009 am Rande einer queeren Demonstration in Handgreiflichkeiten verwickelt, im Zuge derer er eine Frau homophob beleidigt haben soll, und bezeichnete es 2013 als »Absturz«, sollte Sohn schwul sein. Bushido zeichnet in seinen Texten das Bild einer durch und durch männlichen Welt, die geprägt ist vom vermeintlichen »Recht des Stärkeren« und einem »Kampf ums Dasein« – beides im Kern rechte Ide­ologiefragmente. Dass er über seinen tunesischen Vater einen Migrationshintergrund hat, gilt seinen Hörer*in­nen oft als hinreichender Beweis dafür, dass er unmöglich rechts sein könne. Diese Argumentation verkennt jedoch, dass Rassismus nur ein Element eines rechten Weltbildes ist und ignoriert die Vielzahl anderer Elemen­-
te, die bei Bushido ganz offen zutage treten. (Tölva)

 

Dissziplin

Hinter dem Künstlernamen Dissziplin verbirgt sich der Dresdener Rapper Ben Arnold. In seinen Texten schreibt er oft über das vermeintlich harte Leben der ostdeutschen Unterschicht (z. B. »Plattenbauten«, 2007). Er thematisiert immer wieder offensiv sein eigenes Deutschsein. Dabei verfällt er, auch wenn er sich verbal von Nazis abgrenzt und sich teilweise mit Menschen umgibt, die sich wie sein Kollege und Manager Dita Rantel selbst als links bezeichnen, regelmäßig in genuin rechte Denkmuster. Er spricht davon, dass »das Volk« von Medien und Politik geknebelt werde (»Ich bin Deutschland«, 2009). Er propagiert eine Schlussstrichmentalität, deren Ziel es ist, dem Gedenken an die Shoah ein Ende zu setzen, weil dieses verhindere, dass die Deutschen wieder widerspruchsfrei stolz sein können auf ihr Land (»Ich bin Deutschland«, 2009). Auch der von ihm ins Feld geführte Antiamerikanismus (»Von Angesicht zu Angesicht«, 2007), die Verwendung schwulenfeindlicher Sprache und der ständige Gebrauch militärischer Ausdrücke bedienen typisch rechte Vorstellungen. Für das Video zu seinem Song »Invictus« (2012) arbeitete Dissziplin mit der Bekleidungsmarke Label 23 zusammen, die sich in rechtsoffenen Kampf­sportkreisen großer Beliebtheit erfreut und ihre Wurzeln in der extrem rechten Cottbusser Fußballfanszene hat. Passend dazu unterstützte er 2014 die rechtspopulistische Partei »Alternati­ve für Deutschland« bei der Dresdener Kommunalwahl und bezog sich später positiv auf die Pegida-Aufmärsche, wobei er auch deren Parole von der »Lügenpresse« übernahm. Spätestens dadurch wurde offenbar, dass Dissziplin nicht bloß in seinen Texten mit rechten Bilderwelten spielt, sondern auch persönlich und abseits der Bühne klar rechte Ideologien vertritt. (Tölva)

 

Fler

Der Berliner Rapper Patrick Losensky alias Fler verdankt seine Karriere zu großen Teilen seinem Kollegen Bushido, in dessen Alben er mehrfach als Gast auftrat. Der kommerzielle Durch­bruch gelang ihm 2005 mit dem Top-Ten-Hit »NDW 2005«. In dieser, aber auch in späteren Veröffentlichungen inszenierte sich Fler explizit und in bewusster Abgrenzung zu Kolleg*in­nen mit Migrationsgeschichte als deutsch, als »schwarz-rot-gold, hart und stolz« (»NDW 2005«, 2005). Erneut in die Kritik geriet er 2013, als im Video zu seinem Song »Echte Männer« ein Komparse mit einer Jacke der bei Rechten beliebten Kleidungsmarke Thor Steinar zu sehen war. Darüber hinaus fiel er mehrfach durch frauenverachtende Inhalte (z. B. »Deutscher Bad Boy«, 2008, »Alle gefickt«, 2010) oder behindertenfeindliche Sprache (»Komm klar, Spast!«, 2009) auf. Fler propagiert offensiv, dass es okay und sogar wünschenswert sei, sich stolz zum eigenen Deutschsein zu bekennen. Gleichzeitig tut er so, als bräche er damit ein Tabu und stelle sich mutig gegen eine vermeintliche linke Meinungsdiktatur. Spätestens mit dem Albumtitel »Fremd im eigenen Land« (2008), der als bewusstes Zitat auf einen Song der wichtigen migrantischen Rapgruppe Advanced Chemistry zu verstehen ist und dessen Aussage ins Gegenteil verkehrt, überschritt Fler die Grenze von der dem Marketing förderlichen Selbstethnisierung hin zum offenen Spiel mit klar rechten Denkmustern von »Überfremdung« und schwindender »Leitkultur«. (Tölva)

 

KrawallBrüder

Die saarländische Band besteht unter diesem Namen seit 1993. Die Band mischt musikalisch Oi, Metal und Hardcore. Sie tritt gleichermaßen unter den Labels von Oi und Deutschrock auf und ist einer der erfolgreichsten deutschen Bands dieser Genres. Die KrawallBrüder sind ein prädestiniertes Beispiel einer Band, die vielfältige inhaltliche und strukturelle Schnittstellen zur Rechten hat, sich jedoch stets von rechts distanziert und Zugang zu »alternativen« Konzertorten findet.

Als Veranstalter des alljährlichen Festivals »Back on the Streets« boten sie in der Vergangenheit auch rechtsoffenen bis rechten Bands die Bühne. Auf dem bandeigenen Label KB-Records veröffentlichten in den vergangenen Jahren viele Bands der »Grauzone«, zum Teil auch Bands, die einem eher rechten Spektrum angebunden sind, wie zum Beispiel die deutschen Bands Gerbenok und Martens Army. KB-Records produzierte 2006 den rassistischen Song »Die neuen Hippies« der Band Gerbenok und vertreibt ihn bis heute. Einen Auftritt der KrawallBrüder mit der schottischen Rechtsrock-Band Bakers Dozen im Jahr 2011 verteidigte die Band u.a. mit der Argumentation, dass Bakers Dozen gar keine rechte Band sein könnten, da zwei Bandmitglieder als Sozialpädagogen mit Behinderten zusammen arbeiten würden.

Neben der Reduktion des Rechts-Seins auf offen auftretende Neonazis, finden sich weitere hochproblematische Inhalte in Liedtexten und im Auftreten der KrawallBrüder. In Songs wie »Saarland« und »Troublemaker Germany« besingt und inszeniert die Band Lokalpatriotismus, kriegerische Männ­lichkeit und Herrschaftsfantasien.

 

Rotz & Wasser

Die Hamburger Oi!-Band Rotz & Wasser wurde 2006 gegründet und hat seitdem mehrere Alben veröffentlicht. Zwar hat die Band sich wiederholt klar gegen Nazis positioniert und auch schon Spendenaktionen zugunsten von Geflüchteten durchgeführt. Sich selbst jedoch bezeichnet sie als un­politisch, während einige ihrer Texte ­gewollt oder ungewollt durchaus anschlussfähig sind für rechte Lebenswelten, etwa wenn sie den herr­schen­den Zuständen eine vermeintlich ­bessere »gute alte Zeit« entgegensetzen (»Gute alte Zeit«, 2011) oder die von ihnen offenkundig nicht verstandene Technokultur kritisieren (»Spaßgesellschaft«, 2006). Problematisch ist auch, wie in objektivierender Weise über Frauen gesungen wird, die nur als Objekte männlicher Lust thematisiert werden (z. B. »Bück dich Fee«, 2011, »Ann Cathrin aus Berlin«, 2013). Überhaupt besingen Rotz & Wasser in erster Linie eine genuin männliche Lebenswelt, in der sexuelle Potenz, Gewalt und ungezügelter Alkoholkonsum zu den tragenden Elementen gehören. Dabei grenzen sie sich von links wie von rechts in gleicher Weise ab (»Unpolitisch unbequem«, 2013), was gemessen an der tödlichen Gefahr, die nach wie vor von der extremen Rechten ausgeht, einer Verharmlosung rechter Gewalt gleichkommt. Auch wenn diese von der Band wahrscheinlich so nicht intendiert ist, wird sie damit doch anschlussfähig für Hörer*innen, die sich selbst für nicht rechts halten, aber emanzipatorische Forderungen als links und damit als abzulehnen betrachten. (Tölva)

Broilers

Die Düsseldorfer Band Broilers besteht bereits seit 1992, hat seitdem zahlreiche Platten aufgenommen und einen spürbaren stilistischen Wandel weg von stumpfem Oi hin zu durchaus anspruchsvoller, verschiedene Einflüsse verarbeitender Rockmusik durchgemacht. Auch die Texte der Band haben sich stark verändert. Während sie sich in den frühen Jahren noch gegen »KKK und die verdammte Antifa« gleichermaßen wandten (»69 77 88«, 2000), bekannte die Band sich wenig später klar gegen Nazis (»An all den Schmutz«, 2002) und singt inzwischen überwiegend über Gefühle und Beziehungsthemen. Sänger Sammy Amara wuchs als Sohn eines Irakers und einer Deutschen in Düsseldorf auf und thematisiert in Interviews immer wieder auch eigene Rassismuserfahrungen. Die Broilers unterstützen die Kampagne »Kein Bock auf Nazis« und positionieren sich eindeutig zugunsten von Geflüchteten. Nichtsdestoweniger findet die Band trotz allem auch in rechtsoffenen Kreisen Anklang, was wohl im Wesentlichen darin begründet liegen mag, dass die Band zum einen ihre Wurzeln in der Skinheadszene und zum anderen sehr pathetische Texte hat, was sie auch für Menschen, die es gerne etwas einfacher haben, zugänglich macht. Die Broilers selbst haben jedoch wiederholt klargestellt, dass sie auf rechte Fans gut verzichten können und nichts dagegen haben, wenn diese aus ihrem Publikum »entfernt werden«. (Tölva)

 

JAN TÖLVA ist Soziologe und Journalist und u.a. aktiv bei: Bündnis Aktiver Fußball-Fans (B.A.F.F.) www.aktive-fans.de/
https://jntlv.wordpress.com/

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